Vorstellung des neuen OSZE/ODIHR Leitfadens „Antisemitischen Hassverbrechen begegnen – jüdische Gemeinden schützen“
BERLIN, 15. Mai 2017 – Das OSZE Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (OSZE/ODIHR) hat heute in der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft einen neuen Leitfaden vorgestellt, der den OSZE-Teilnehmerstaaten helfen soll, den Sicherheitsbedürfnissen jüdischer Gemeinden effektiver zu begegnen.
Die tödlichen antisemitischen Attacken der vergangenen Jahre in Toulouse, Brüssels, Paris und Kopenhagen sowie die hohe Zahl antisemitischer Übergriffe verdeutlichen auf dramatische Weise die dringende Notwendigkeit, Antisemitismus effektiver zu bekämpfen. Die Teilnehmer der Veröffentlichung betonten die Bedeutung des Leitfadens, vor allem für die jüdischen Gemeinden in der OSZE-Region, die täglich mit einer hohen und akuten Bedrohungslage leben.
„Antisemitisch motivierte Zwischenfälle in der OSZE-Region hatten und haben nicht nur starke negative Auswirkungen auf den Alltag eines jeden Mitglieds jüdischer Gemeinden, vor allem im Hinblick auf die freie Ausübung ihrer grundlegenden Rechte und Freiheiten, sondern verursachen auch nachhaltige Verunsicherung innerhalb dieser Gemeinden“, sagte während der Veranstaltung Michael Georg Link, ODIHR Direktor. „Dieser Leitfaden unterstützt die Regierungen mit einem effektiven Maßnahmenkatalog, der in Zusammenarbeit mit den betroffenen jüdischen Gemeinden umgesetzt werden kann, um deren Sicherheitsgefühl wieder zu erhöhen.“
Der Leitfaden „Antisemitischen Hassverbrechen begegnen – jüdische Gemeinden schützen“ wurde im Zuge des Projekts „Taten statt Worte gegen Antisemitismus“ mit der Unterstützung von Experten und der breiten Öffentlichkeit entwickelt. Das Projekt zielt darauf ab, neue Wege zur Unterstützung der Teilnehmerstaaten zu etablieren und die Regierungen bei der Erfüllung ihrer Menschenrechtsverpflichtungen gegenüber den jüdischen Gemeinden aktiv zu unterstützen.
„2013 veröffentlichte die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte eine Studie, die belegte, dass fast zwei Drittel der Opfer antisemitisch motivierter Gewalt physische Übergriffe nicht meldeten. Das beweist, dass wir uns nicht alleine auf Statistiken verlassen dürfen, wenn es darum geht, das Ausmaß antisemitischer Gewalt in Europa zu beurteilen“, sagte Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau, Mitglied des Steuerungskomitees der Internationalen Konferenz zur Bekämpfung von Antisemitismus (ICAA). „Wir haben die Pflicht, die Stimmen derer, die sich tagtäglich solchen Bedrohungen ausgesetzt sehen, ernst zu nehmen und ihnen und der ganzen Gesellschaft Sicherheit zu geben, denn – und da schließe ich mich den Worten von Michael Link an – Antisemitismus stellt eine Bedrohung für die Menschenrechte eines jeden Einzelnen dar.“
Die OSZE-Teilnehmerstaaten sind im Rahmen umfassenden Sicherheitsbegriffes der OSZE verpflichtet, jeglichen Formen der Hasskriminalität, insbesondere dem Antisemitismus, entschlossen entgegenzutreten, so Teilnehmer der Veranstaltung in der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft.
„Alle OSZE-Teilnehmerstaaten haben sich verpflichtet, eine sichere Umgebung für ihre Zivilbevölkerung anzustreben und herzustellen, frei von Antisemitismus, Verfolgung, Gewalt und Diskriminierung. Deshalb ist es von besonderer Wichtigkeit, dass die Regierungen ihren Worten nun Taten folgen lassen“, sagte Doris Barnett, MdB, Vorsitzende der deutschen Delegation in der parlamentarischen Versammlung der OSZE. „Die Vorschläge und Beispiele in diesem Leitfaden, die stark in internationalen Menschenrechtsstandards und den OSZE-Verpflichtungen verankert sind, werden Staaten helfen, den Herausforderungen von Antisemitismus entschlossen zu begegnen. Der Leitfaden kann als Vorbild für weitere Maßnahmen dienen, auch andere Gemeinden und Gruppen, die Hassverbrechen ausgesetzt sind, effektiver zu schützen.“
Gernot Erler, MdB, Sonderbeauftragter für den deutschen OSZE-Vorsitz 2016, sagte: „Jüdischen Gemeinden fehlen nicht nur die Mittel und Wege, den gestiegenen Herausforderungen alleine gegenüberzutreten. Im Gegenteil, es ist die vorrangige Aufgabe des Staates und der Regierung, die Sicherheit jüdischer Gemeinden zu gewährleisten. Es ist unsere tiefe Hoffnung, dass dieser Tag und die Veröffentlichung dieses Leitfadens für die OSZE-Teilnehmerstaaten den Startpunkt für eine offene und wohlüberlegte Neubewertung dieser Sicherheitsbedürfnisse darstellt und dass daraus Maßnahmen abgeleitet werden, die effektiv zur Verbesserung der Situation beitragen werden.“
Das Projekt “Taten statt Worte gegen Antisemitismus“ wurde von ODIHR entwickelt, um sowohl die OSZE-Teilnehmerstaaten als auch die Zivilgesellschaft bei der Bekämpfung und Vorbeugung von Antisemitismus zu unterstützen. Das Projekt, das 2016 während des deutschen Vorsitzes der OSZE ins Leben gerufen wurde und durch die Bundesregierung gefördert wird, ist schwerpunktmäßig in drei Bereichen tätig werden: Stärkung der Sicherheit jüdischer Gemeinden, Bildungsarbeit gegen Antisemitismus, Förderung von Allianzen innerhalb der Zivilgesellschaft.
Für weitere Informationen kontaktieren Sie bitte Herrn Thomas Rymer, ODIHR Pressesprecher (+48 609 522 266 / thomas.rymer@odihr.pl)
Oder
Herrn Julian Jakob (Kontakt vor Ort und Informationen in deutscher Sprache), Berater des ODIHR Direktors (+48 695 808 816 / julian.jakob@odihr.pl)